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Auf die Piraten aufmerksam wurde ich im Vorfeld der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011. Endlich eine Partei, die das Internet in seiner Bedeutung als Ort sozialen Lebens begreift und nutzt! Ab da verfolgte ich die Entwicklung der Piraten auf den diversen Kanälen im Internet. Ich sah die programmatische Entwicklung, aber auch die zahlreichen wüsten Streitereien. Ich sah, wie die Partei einerseits in einer Art Goldgräberstimmung überrannt wurde, andererseits aber klare Wertebekenntnisse, zum Beispiel eine klare Abgrenzung gegen Rechtspopulisten, ausblieben. Ich sah die SMV vorerst scheitern. Ich war enttäuscht. Wieder blieb eine frische Partei im linksliberalen Spektrum weit hinter dem zurück, was möglich gewesen wäre.

Dann kam der bleierne Wahlkampf zur Bundestagswahl 2013. Ein Wahlkampf, so frei von Politik, wie ich ihn mit meinen 35 Jahren noch nicht erlebt habe. Da half auch die Existenz der Piraten nicht viel. Denn die Piraten waren zwar munter und engagiert, aber als Gesamtpartei auf Bundesebene schlicht immer noch nicht politikfähig. Es mangelte immer noch am politischen Instinkt, zugleich drängten immer noch zu viele ins vermeintlich auf sie wartende Scheinwerferlicht. Eine Partei für meine Zweitstimme fand ich aus Gewohnheit und gewachsenen Wertvorstellungen zwar noch. Aber ich war frustriert, sehr frustriert. Nicht nur das, es hat mich irre gemacht, Tag für Tag in mir genagt.

Verrückt zu werden, ohne dies aktiv zu kanalisieren, ist kein guter Zustand. Außerdem habe ich mich immer als politischen Menschen begriffen, sozialisiert im links-grün-alternativen Bindestrichmilieu. Grüne Jugend, Grüne Hochschulgruppe, von 2003 bis 2005 auch Parteimitglied, zwar stets nur ein wenig vor Ort, aber immerhin, ich habe mich früher schon politisch engagiert.

So wuchs in dieser Phase, in der ich mir so sehr und so vergeblich einen politisierten Wahlkampf gewünscht hätte, in mir der Drang, mich selbst wieder politisch einzubringen. Mit den Grünen bin ich, bei aller Zustimmung zu weiten Teilen ihres Programms, durch. Sie sind längst zu sehr das, was sie für bürgerlich halten. Sie sind bräsig und in ihrer Aversion gegen radikale Neuerungen längst so, wie sie nie sein wollten und sollten.

Also dann doch die Piraten. Bei den Piraten geht es immer noch um die brennenden Fragen der Gegenwart. Im Kern und doch nur beispielhaft: Was bedeutet effektive Durchsetzung von Menschenrechten für alle Menschen heute? Wie die Gerechtigkeit erlangen, die gleiche Freiheit für alle erst ermöglicht? Wie Transparenz und informationelle Selbstbestimmung verbinden? Das sind brennende Herausforderungen, die sich nicht wegmoderieren lassen, die sich nicht für beendet erklären lassen, die aber auch genau gar nicht mit den Mitteln des 19. und 20. Jahrhunderts zu bewältigen sind.

So rückten nach und nach die Punkte, die mich bei den Piraten auch weiterhin stören, zur Seite. Zudem nahm ich an, dass ein Nichteinzug der Piraten in den Bundestag sich günstig auf die Partei auswirken werde. Wo kein Gold ist, ziehen hoffentlich auch die Goldgräber weiter. Irgendwann fasste ich in dieser Gemengelage den Entschluss: Wenn die Piraten nicht in den Bundestag einziehen, dann engagiere ich mich da.

Nach der Bundestagswahl nahm ich Kontakt zu den Berliner Piraten auf. Ich wollte mich schon noch in echt von den Menschen dort überzeugen.
Für meine Interessen wurde mir die Crew 65 im Wedding empfohlen. Wenn nicht jetzt, dann mache ich es nie: Ich besuchte deren nächstes Treffen. Aufgeschlossene Menschen, gute Diskussionen, viel spürbares Engagement; am nächsten Morgen war mein Aufnahmeantrag unterwegs.

Nun ist hier noch Platz für eine elegante Abrundung. Aber es geht ja erst los. Also erstmal ohne.